Gut leben

Wie lebt man gut? Was ist ein gutes leben? Vorstellungen dazu gibt es reichlich. Einige davon ähneln oadischen Vorstellungen. Diese Haltungen sind es, die Oadien ausmachen. Sie sind Oadien mehr als alle anderen Erscheinungen, die aus dem Wunsch folgen. Oadisch leben kann man überall.

Wie lebt man also gut laut oadischen Vorstellungen? Darauf ist eine allgemeine Antwort schwer möglich, denn nach diesen Vorstellungen trägt jeder Mensch einen eigenen Weg in sich. Es gibt also keine allgemeine Lehre wie die vielen Lehren, die davon ausgehen, daß ein Weg, bestimmte Arten von Übungen für jeden Menschen taugen. Aber die Menschen sind viel unterschiedlicher als es sich viele Gründer vereinfachenderer Lehren vorstellten, meist von ihrer eigenen Verfasstheit ausgehend.

Jeder Mensch geht seinen Weg, aber nicht jeder Weg kann oadisch genannt werden. Jeder Mensch soll seinen Weg gehen können, Oadien spiegelt jedoch eine bestimmte Ausrichtung wider. Diese Ausrichtung ist keine Lehre wie viele andere. Sie ist eher ein Gefühl, eine Art des menschlichen Wollens, das jedoch sehr verschiedene Ausprägungen annehmen kann. Das Vorhandensein dieses Gefühls in einem Menschen ist eine Voraussetzung dafür Oadier zu sein.

Im Kern geht es also darum, daß schon etwas vorhanden ist, das seines Gleichen sucht, sich danach sehnt darin ähnliche Menschen zu finden und mit ihnen einen Teil ihres Lebens zu verbringen. Es ist auch möglich ganz alleine Oadier zu sein. Das innere Sehnen kann viel kräftiger sein als alle sonstigen Widrigkeiten einschließlich des Umstands unter Menschen zu leben, die bei der Frage nach ihrer Vorstellung von einem guten Leben entweder zu keinen oder zu anderen Antworten gelangen.

Das oadische Lebensgefühl ist nicht klar in Worte zu fassen. Die im Text Oadische Wertvorstellungen und das Christentum erwähnte Bibelstelle mit ihrer Wesenscharakterisierung kommt ihm nah und ist richtig, könnte jedoch auch ganz anders umschrieben werden. In Gefühlsdingen versagen die geläufigen weltlichen Sprachen häufig, da deren Sprecher sich mit diesen Dingen offenbar nur wenig befassten und somit auch kaum klare Begriffe für diese geschaffen haben. Ein Zeichen kultureller Armut.

Gut leben, das ist auch wissen was zu einem gehört und was nicht. Das meint Dinge, jedoch noch viel mehr seelische Abläufe. Dies zu wissen bedeutet zu erkennen welche Entscheidungsmöglichkeiten man im Guten hat. Viel Frustration und Rebellion von Menschen geht heute darauf zurück, daß es ihnen an geistiger Beweglichkeit fehlt in ihrem persönlichen Dasein konstruktive Lösungen herbeizuführen, die im Idealfall allen Beteiligten nutzen. Diese Menschen fressen sich in vielerlei Verhärtung fest, ihnen fehlt es vielleicht an innerer Sehnsucht nach oadischem Leben, denn diese bahnt sich, so vorhanden, ihren Weg.

Tiefe seelische Begegnung ist ein Ziel dieser Sehnsucht. Die erwähnten einzelnen Verhärtungen machen diese nicht allgemein unmöglich, manchmal sind sie für einen Menschen nötig, der sich in einer Hinsicht noch nicht entsprechend selbst gefunden hat. Das Bestreben offen miteinander umzugehen resultiert daraus. Um einander zu begegnen muß man einander in Offenheit gegenüberstehen. Kein anderes Ziel kann wertvoller sein dem, der diese innere Sehnsucht in sich trägt.

Viele Menschen haben gute Ideen, erkennen dieses und jenes. Ein Mensch der nach gutem leben im oadischen Sinn stebt ist nicht unbedingt besonders schlau. Darum geht es hier nicht und dennoch geht es auch um keine völlig ungewöhnlichen Vorstellungen von gutem Leben.

"... auch Spiele gibt es dort und Schauspiele, desgleichen Instrumental- und Vokalmusik, und zwar alles dies in höchster Vollkommenheit; dergleichen Dinge gereichen ihnen auch zur Freude, aber nicht zur Seligkeit, diese muß in den Freuden sein, und infolgedessen aus den Freuden kommen; die Seligkeit in den Freuden macht die Freuden zu Freuden, sie macht dieselben voll und erhält sie, daß sie nicht alltäglich werden, und man ihrer nicht überdrüssig wird; und diese Seligkeit fließt jedem zu infolge nützlicher Beschäftigung in seinem Beruf. Es ist in der Willensneigung eines jeden Engels eine verborgene Ader, die das Gemüt zu einer Tätigkeit antreibt; dadurch kommt das Gemüt zur Ruhe und fühlt sich befriedigt; diese Befriedigung und Ruhe machen den Gemütszustand empfänglich für die Liebe zu nützlichem Wirken vom Herrn; aus der Aufnahme der letzteren entspringt die himmlische Seligkeit, die das Leben jener vorerwähnten Freuden ist. Die himmlische Seligkeit ist ihrem Wesen nach nichts anderes, als Liebe, Weisheit und nützliche Tätigkeit zugleich, das heißt, nützliche Tätigkeit durch Weisheit aus der Liebe; weshalb einem jeden im Himmel Speise gegeben wird für den Leib gemäß dem Nutzen, den er schafft, köstliche denen, die in hervorragender nützlicher Tätigkeit stehen, minder köstliche, jedoch von ausgezeichnetem Geschmack denen, die auf der mittleren Stufe nützlichen Wirkens stehen, und geringe denen, die nur geringen Nutzen schaffen, gar keine hingegen den Müßiggängern."
Swedenborg, Die Wonnen der Weisheit, Kapitel "Vorläufiges" (vor Kapitel 1), Nr. 6

Was ist das, findet sich hier unter anderem das angebliche Weltbild, das z.B. gerne als "protestantische Arbeitsethik" bezeichnet wird? Haha, die Müßiggänger bekommen gar nichts! Aber man sollte sich davor hüten zu reflexhaft auf Begriffe wie "Müßiggänger" zu reagieren, denn das was dort letztlich beschrieben wird ist, daß Menschen in sich Neigungen haben, worin sie anderen Menschen eine (geistig-göttliche) Freude machen können oder mit Swedenborg "nützlich" in uneigennütziger Liebe werden möchten. Das setzt mehr voraus als bloßes Buchwissen.

"Durch die Seele wird hier der Glaube an das Falsche aus nicht verstandenem Wahren bezeichnet, denn das Böse und das Falsche verbinden sich wie das Gute und Wahre mit dem Glauben und dem Verstande, wenn sie nur auf ein bloßes Denken beruhen; denn der Mensch kann denken und gleichsam einsehen und glauben, daß das Böse gut und das Falsche wahr sei; und solcherart sind alle, die im Falschen der Lehre sind, und nur ihren Lehrern und Büchern glauben und nicht bedenken, ob es Falsches und Böses sei. Sie glauben, es sei Wahres und Gutes, weil man es begründen kann, wissen aber nicht, daß man das Falsche und Böse ebensogut begründen kann wie das Wahre und Gute."
Swedenborg, EKO, Nr. 750

Müßiggang wäre nach der obenstehenden Begrifflichkeit weniger eine Abwesenheit von weltlich verstandenem Arbeitseifer, der auch unbiblisch wäre, sondern ein Leben, in welchem ein Mensch nicht liebend und ihn beseligend auslebt, was dementsprechend in ihm veranlagt ist. Andere freuen sich an etwas und der Liebende kann es entsprechend seiner Fähigkeiten recht gut tun. Kern der zitierten Passage ist die erstrebenswerte Seligkeit in der Freude des Menschen, nicht die Anhäufung weltlicher Besitztümer. Und dieser Seligkeit und Ruhe stehen ganz andere innere menschliche Verfasstheiten entgegen.

"Bei denen, die nur das Streben nach Ehre treibt, d.h. bei denen, welche die Geschäfte ihres Amtes nur des Ruhmes wegen vollziehen, damit sie Lob und Beförderung ernten, sind jene Zerstreuungen [Erheiterungen] im Äußeren, ähnlich wie bei jenen; sie arbeiten, haben acht auf ihr Werk und leisten vielfachen Nutzen; aber nicht aus Liebe zur Nutzwirkung, sondern aus Selbstliebe und somit nicht aus Nächstenliebe, sondern aus Ruhmsucht; sie können auch ein Lustgefühl bei den Arbeiten ihres Berufes empfinden, aber es ist ein höllisches Lustgefühl, das sich jedoch in ein himmlisches Lustgefühl verstellen kann, weil beide im Äußeren ähnlich sind; allein das Lustgefühl solcher ist doch voll von Unlust, denn sie haben keine Seelenruhe und keinen Frieden, außer wenn sie an Ruhm und Ehre denken, oder wenn sie geehrt und gefeiert werden; wenn sie aber nicht daran denken, dann stürzen sie sich in Vergnügungen, Trunkenheit, Schwelgerei, Unzucht, Haß und Rachsucht, und lästern über ihre Nächsten, wenn sie ihrer Ehrsucht nicht Opfer darbringen. Aber nach und nach werden ihnen, wenn sie nicht zu höheren Ehrenstellen erhoben werden, ihre Berufsgeschäfte zum Ekel, sie geben sich dem Müßiggang hin, werden Faulenzer, und nach ihrem Hinscheiden aus der Welt böse Geister.
...
Bei denen aber, die sich ihren Berufspflichten unterziehen bloß des Brotes wegen, und um die Bedürfnisse des Lebens zu befriedigen, ferner bei denen, die ihre Geschäfte des guten Namens wegen besorgen, damit sie geehrt werden, oder die dies nur des Gehaltes wegen tun, um Reichtümer aufzuhäufen, oder um dem Vergnügen leben zu können, sind die oben erwähnten Erheiterungen nur auf den eigenen Nutzen berechnet; solche Menschen sind fleischlich und sinnlich; ihr Geist ist unrein, voll böser Begierden und Lüste. Ihre Amtsgeschäfte besorgen sie nur der nachfolgenden Zerstreuungen wegen, sie sind Tiermenschen, innerlich tot, und ihre Pflichten sind ihnen eine Last; sie trachten nach Stellvertretern, die ihr Amt besorgen mögen, wenn sie nur den Namen und den Gehalt behalten. Wenn sie nicht die oben erwähnten Vergnügungen genießen können, so ergeben sie sich dem Müßiggang und der Trägheit, und legen sich auf das Ruhebett, ohne an etwas anderes zu denken, als wie sie Gesellschaft finden zum Plaudern, Essen und Trinken; und daher sind sie eine Last für den Staat."
Swedenborg, Liebtätigkeit, Kapitel 11

Wer nur den eigenen Nutzen sucht, der strebt nicht danach anderen Menschen zu begegnen wie oben erwähnt. Er sehnt sich nach anderem, das ihn nicht selig macht, sondern ihn dem Toten, dem Unvollkommenen hinterherjagen läßt, obwohl es in seiner Nähe Menschen gibt, die seines sinnvoll ausgerichteten Mittuns bedürften. Es ist in sich ein Totsein, eine Leblosigkeit, vielleicht auch ein seelisches Zerschmettertsein z.B. als Folge von Gehirnwäsche der letztlich zu "Müßiggang" im oben gemeinten Sinne anleitenden Konsumsekte (laut ebenfalls in der Nähe des Müßiggangs sind "Unredlichkeit und Betrug, Verschwendung und Unmäßigkeit": Liebtätigkeit, Kapitel 7, Nr. 9), die Verkümmertheit intrinsischer Motivation etwas zu tun.

"Die ewige Ruhe ist keine Untätigkeit, weil aus der Untätigkeit Erschlaffung, Gefühllosigkeit, Stumpfsinn und Schläfrigkeit des Geistes und von daher des ganzen Körpers entsteht, und diese Tod und nicht Leben, noch weniger das ewige Leben sind, in dem die Engel des Himmels sich befinden; die ewige Ruhe ist daher eine Ruhe, die jene austreibt, und macht, daß der Mensch lebt, und dies ist nichts anderes, als solches, was das Gemüt erhebt. Es ist also irgendein Streben und Werk, durch welches das Gemüt erregt, belebt und ergötzt wird; und dies geschieht nach Maßgabe der Nutzwirkung, aus welcher, in welcher und für welche es tätig ist; daher kommt es, daß der ganze Himmel als eine ununterbrochene Nutzwirkung vom Herrn betrachtet wird, und jeder Engel ein Engel ist nach Maßgabe der Nutzwirkung; das Angenehme des Nutzensschaffens treibt ihn, wie eine günstige Strömung das Schiff, und macht, daß er in ewigem Frieden und in der Ruhe des Friedens ist; dies ist es, was unter der ewigen Ruhe von den Arbeiten verstanden wird."
Swedenborg, Die Wonnen der Weisheit, Kapitel 18, Nr. 207